Bildungsmagazin

Sendung am 12.04.

Live: 12.04.
Wdh.: 19.04.

In dieser Sendung thematisierten wir die Entstehung und den Sinn vom Numerus Clausus und der Zentralen Vergabestelle für Studienplätze. Den Anstoß dazu lieferte Bundesgesundheitsminister Rösler. Mit seiner Stellungnahme zur Abschaffung des NC im Studiengang Medizin betreibt er sachfremde PR.  Daher taucht er in dieser Sendung gleich zwei mal auf: Zuerst in der Bildungnachricht und dann im Beitrag von Thomas zu NC und ZVS.

Ein anderes Thema wollten wir Euch mit einem Interview näher bringen. Im Studio zu Gast war Michael, ein Mitarbeiter vom Cine Latino, der uns etwas über den Film „Die Revolution der Pinguine“ erzählt hat, in dem es um die Schüler_Innen-Proteste in Chile 2006 geht.

Dann sollten auch eigentlich schon die Veranstaltungshinweise kommen, einer davon bedurfte aber einer kritischen Überprüfung. Dass die SPD das dreigliedrige Schulsystem in Frage stellt, ist ja erstmal begrüßenswert. Wenn sie das allerdings mit einer falschen Fragestellung tut, muss das kritisiert werden…

Zum Abschluss gab es dann noch weitere Veranstaltunghinweise, die wir uneingeschränkter unterstützen können.

Bundesgesundheitsminister will Medizinstudium regeln

Entstehung und Sinn von NC und ZVS(zum Text)

Cine Latino: Die Revolution der Pinguine

Gemeinsam besser konkurrieren

Hier geht’s zu den Texten und Links:

Bundesgesundheitsminister will Medizinstudium regeln

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler will die Zulassung zum Medizinstudium neu regeln. Er will den Numerus Clausus abschaffen und durch universitätsspezifische Einstellungstests ersetzen. Gleichzeitig will der ehemalige Stabsarzt etwas einführen, das an die Bundeswehr erinnert: Eine Art Dienstverpflichtung. Angehende Medizinstudierende sollen bei den Zulassungsverfahren bevorzugt und im Studium gefördert werden, wenn sie sich danach für einige Jahre als Landarzt oder -ärztin verdingen, also in ländlichen, medizinisch unterversorgten Gebieten eine Praxis betreiben.

Viel kann man dazu nicht sagen. Erstens: Das Studium (auch das Medizinstudium) ist nicht Sache des Bundes, sondern der Länder. Zweitens: Das Medizinstudium ist Sache der Bildungs- oder Wissenschaftsministerien und nicht der Gesundheitsministerien. Drittens: Die eine Beschränkung durch die andere zu ersetzen (also den NC durch Eignungstests) löst keine Probleme, macht das Verfahren aber für die Bewerber aufwendiger und teurer. Und Viertens: Das Medizinstudium gehört zu den teuersten Studiengängen und die Unis bräuchten schon für den Betrieb der bestehenden Plätze eigentlich mehr Geld, als sie bekommen.

Warum sind wir so kritisch? Ganz einfach: Erst wenn diese Fragen angesprochen werden, können wir Röslers Vorschläge überhaupt ernst nehmen. Ansonsten ist das bestenfalls gekonnte PR.

Thomas

Cine Latino: Die Revolution der Pinguine

Jedes Jahr werden die Tübinger Kinos regelmäßig von verschiedenen lokalen Filmfestivals genutzt. Das bekannteste Event dieser Art dürften wohl die französischen Filmtage sein, doch auch das etwas kleinere „CineLatino“ braucht sich nicht hinter seinem großen Bruder zu verstecken. Das CineLatino beginnt am Mittwoch, 14. April und endet genau eine Woche später am 21. April. In der zweiten Festival-Woche zeigt CineLatino den Film „La revolución de los pingüinos“ oder auf Deutsch: „Die Revolution der Pinguine“. Der Dokumentarfilm aus dem Jahr 2008 dokumentiert die Protestwelle der chilenischen Oberschüler gegen das von der Pinochet-Diktatur geerbte Schulgesetz. 2006 waren hunderttausende chilenische Oberschüler auf die Straße gegangen. Der Film porträtiert diese Proteste. Im Mittelpunkt stehen vier Schüler, die es als Sprecher der Bewegung geschafft hatten das ganze Land zu mobilisieren.

Der Titel des Films leitet sich ab aus der in Chile üblichen umgangssprachlichen Bezeichnung der Oberschüler als „Pinguine“, an die einen die Schuluniform aus schwarzen Westen und weißen Hemden erinnern könnte.

Der Film läuft im Original auf Spanisch und ist auf Englisch untertitelt. Gezeigt wird „Die Revolution der Pinguine“ am Dienstag, dem 20. April um 20:30 Uhr im Studio Museum.

Fabian

Gemeinsam besser konkurrieren

Unter dem Motto „Gemeinsam länger lernen“ lädt die Arbeitsgemeinschaft 60 Plus der Kreis-SPD zu einer Podiumsdiskussion

Am kommenden Montag, will die SPD das derzeitige Schulsystem auf den Prüfstand stellen.

Dass von vielen Seiten Kritik an diesem geäußert wird, dürfte bekannt sein.

Auch aus Reihen des Bildungsstreiks kommt Kritik.

Das dreigliedrige Schulsystem kann als Mechanismus der deutschen Bildungspolitik gesehen werden. Es hilft, eine der Hauptfunktionen, die Bildung im Kapitalismus annimmt, zu vollziehen: Eine Sortierung und Hierarchisierung der Kinder und Jugendlichen in wertvolle und weniger wertvolle Arbeitskräfte. Diese Wertigkeit wird in Noten und Abschlüssen ausgedrückt und dient im Berufsleben unter Anderem dazu die Verteilung auf die jeweiligen Jobs zu rechtfertigen:

Die Menschen mit schlechteren Noten und schlechteren Abschlüssen müssen sich tendenziell eher damit abfinden die unangenehmen Jobs zu machen und beispielsweise den Anderen hinterher zu putzen. Im Sinne der sogenannten Chancengleichheit wird gleichzeitig unterstellt, dass das auch der Platz sei, der ihnen gewissermaßen „natürlicher Weise“ entsprechen würde.

Das dreigliedrige Schulsystem trägt insofern dazu bei, als dass es schon früh Grenzen zieht: indem es den Schüler_Innen unterschiedliche Lernstoffe und Lernzeiträume verordnet. Diese stellen die Unterschiede zwischen den Kindern erst maßgeblich her.

Der vorherrschende Bildungsbegriff enttarnt sich darin selber: Es geht nicht darum Allen möglichst viel beizubringen, sondern nach marktwirtschaftlichen Erfordernissen Arbeiter_Innen zu produzieren, die sich für ihre meist missliche Lage auch noch selbst verantwortlich fühlen sollen.

Wenn also jetzt über das dreigliedrige Schulsystem diskutiert werden soll, müsste die Frage darüber hinausgehen inwiefern es funktioniert. Vielmehr sollte die Frage gestellt werden, welchen Zweck diese vorausgesetzten Funktionen erfüllen sollen. Wozu es also funktioniert.

Die Ankündigung der Veranstaltung lässt leider nicht vermuten, dass diese Frage gestellt wird. Hinter der Feststellung, dass das dreigliedrige Schulsystem in Frage gestellt wird, folgt gleich eine historische Bewertung desselben:

„Ist dieses Schulsystem überhaupt noch zeitgemäß?“

Das soll soviel heißen wie:

„Früher war das mal zeitgemäß, entsprach also gewissen Anforderungen der Zeit [die nicht weiter hinterfragt werden]. Heute aber gibt es andere [widerum unhinterfragte und in dem Begriff der Zeitgemäßheit auch unhinterfragbar gesetzte] Anforderungen, denen sich angepasst werden muss. Deshalb sollten wir darüber nachdenken, was denn heute zeitgmäß ist [welchen Anforderungen der Zeit also heute entsprochen werden muss].“

Die folgende Frage in der Ankündigung bestätigt das und macht auch gleich klar was unter dem Begriff „zeitgemäß“ verstanden wird:

„Muss es [das dreigliedrige Schulsystem] nicht, wie in anderen europäischen Ländern durch neue Formen des gemeinsamen Lernens abgelöst werden, damit frühzeitige Selektion verhindert wird und alle Kinder durch eine gute Bildung zukunftsfähig gemacht werden?“

Die neue Anforderung [„der Zeit“] ist also die „Zukunftsfähigkeit“, der eigenen Kinder gegenüber den womöglich schon zukunftsfähigeren Konkurrent_Innen aus den anderen europäischen Ländern.

In der Frage ob die frühzeitige Selektion verhindert werden soll, wird offensichtlich, dass es nicht darum geht die Funktion des Bildungssystems in Frage zu stellen. Nicht die Selektion, also die Auslese und Hierachisierung, wird in Frage gestellt, sondern nur ihr Zeitpunkt.

Im Begriff der Zukunftsfähigkeit wird die „Zeitgemäßheit“ in die prognostizierte, marktwirtschaftliche Zukunft verlagert und deren Sinn und Zweck wiederum nicht hinterfragt.

Es scheint also klar zu sein, in welchem Vorstellungsraum am 19. April um 19 Uhr im Bürgerheim in der Schmiedtorstraße diskutiert werden wird.

Flo

Musik in der Sendung: