Soziologie-Studierende müssen für den Zensus arbeiten
An der TU Dresden müsssen sich Studierende im 4. Semester Soziologie verpflichtend als Interviewer an der Datenerhebung für den Zensus 2011 beteiligen. Unser Kollege Fabian von Radio Dreyeckland aus Freiburg sprach mit Ullrich Gebler vom Studentenrat der TU Dresden über die Hintergründe und die Kritik der Betroffenen.
Rüstungsforschung an Hochschulen und Zivilklausel
Ein Interview mit Reiner Braun. Er ist seit 1982 in der Friedensbewegung und anderen sozialen Bewegungen und Gruppen engagiert.
Während wir jedes Jahr von der Unterfinanzierung der Hochschulen sprechen und dabei zum Teil auch selbst erfahren wie die Mittel knapper werden, vergeben das Bundesverteidigungsministerium, sowie Rüstungsunternehmen und Pharmakonzerne Forschungsgelder an zivile Hochschul-Einrichtungen. Im Bereich der sogenannten „zivil-militärischen Zusammenarbeit“ dienen diese Drittmittel zur Erforschung von Drohnen, biochemischen Kampfstoffen oder zur Legitimation von „Interventionskulturen“. Das alles geschieht meist unbeachtet von der Öffentlichkeit. Unnötig zu erwähnen, dass das den wissenschaftlichen Anspruch auf zivile und friedliche Forschung hintertreibt.
Am Montag, dem 16. Mai machen wir außer der Reihe schon wieder eine Live-Sendung. Dann hört Ihr um 17 Uhr unter anderem ein Gespräch von Detlef Berentzen mit Uwe Zellmer vom Theater Lindenhof.
✍ fabian |
Kommentare deaktiviert für Sendung am 16.05.2011
Zur Bildungspolitik im Koalitionsvertrag der grün-roten Mehrheit in Baden-Württemberg sprach Timo Stadler vom freien Radio Querfunk aus Karlsruhe mit Matthias Schneider, dem Pressesprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
Selbstorganisiertes Seminar zur Kritischen Theorie
Gegen die weitgehende Ausblendung und Abfertigung der Kritischen Theorie in den Geisteswissenschaften an der Uni Tuebingen wurde von studentischer Seite ein Seminar zur sogenannten Frankfurter Schule organisiert. Es sollen Texte von Horkheimer, Adorno, Marcuse, Fromm und Anderen gelesen werden um einen Ueberblick ueber die wichtigsten Gedanken der Theoretiker aus dem Umfeld des Instituts für Sozialforschung zu bekommen. Hier kann man zwar keine ECTS-Punkte oder Scheine erwerben, dafür aber erste Einblicke in eine vehemente Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft, an den ideologischen Aspekten ihrer Wissenschaft (die sich selbst fälschlicherweise als neutral auffasst) und am Bewusstsein der bürgerlichen Individuen bekommen. Im Studiogespräch unterhielten wir uns mit dem Organisator des Seminars Jakob Hasselmann über seine Gründe das Seminar zu veranstalten. Wir klärten warum die Kritische Theorie interessant ist, stellten die Frage warum sie aus den Universitaeten verdraengt wird und versuchten eine erste Annaeherung an den Begriff der Kritik in der Kritischen Theorie. Außerdem fragten wir, wie das Seminar ablaufen soll und wie die erste (nur organisatorische) Sitzung abgelaufen ist.
Wer sich für das Seminar interessiert, kann jederzeit noch einsteigen, da die einzelnen Veranstaltungen einander nicht voraussetzen. Die Sitzungen finden immer Donnerstags von 16-18 Uhr im Raum 021 am Institut für Politikwissenschaft in der Melanchthonstraße 36 statt. Hier erhaltet Ihr einen Seminarplan. Auch alle weiteren Informationen erhaltet Ihr auf dem Blog der Kritischen Uni Tuebingen: kut.blogsport.de
Beiträge zum Nachhören
Vorstellung Jakob Hasselmanns, der das Seminar veranstaltet
Kommentar vom freien Radio aus Halle
Unsere Kollegen vom freien Radio Corax aus Halle haben sich mit den Bildungsgutscheinen beschäftigt. Ein Kommentar von der tagesaktuellen Redaktion von Radio Corax über scheinbar fortschrittliche Forderungen, die bei der Umsetzung in ihr Gegenteil verkehrt werden.
Didacta mit Bundeswehrwerbung
Vom 22.bis zum 26. Februar diesen Jahres lief in Stuttgart die Bildungsmesse didacta. Die Didacta ist die internaional grösste Veranstaltung dieser Art. Dieses mal war auch die Bundeswehr mit einem der fettesten Stände auf der Bildungsmesse vertreten. Ihr sogenanntes „POL&IS“ Spiel wurde dabei als „24 Stunden Event“ präsentiert.
„POL&IS“, das steht für „Politik & internationale Sicherheit“ und soll SchülerInnen auf spielerische Weise an die Bundeswehr und deren Aufgaben heranführen. Der Bundeswehr dürfte es dabei aber weniger um eine kritische Auseinandersetzung mit dem Militär und seinen Aktivitäten gehen, weswegen die Aktion natürlich auch Kritiker auf den Plan gerufen hat.
Die Kampagne „Schulfrei für die Bundeswehr“ kritisiert die Präsenz der Bundeswehr im Bildungswesen und will daher auch die Kooperationsvereinbarung des Kultusministeriums mit der Bundeswehr zum Kippen bringen. Wir hören ein Gespräch mit Paul Russmann von der Initiative „Ohne Rüstung leben“ das Michel Menzel von Radio Dreyeckland für uns geführt hat.
Bromma und Co. – Alle Fragen offen
Wir erinnern uns an den Fall Simon Brenner. Der LKA-Spitzel war ein Jahr lang in der Heidelberger linken Szene unterwegs um die Strukturen zu durchleuchten und dem LKA einen Überblick über verschiedene Gruppen und Bewegungen zu verschaffen.
Der Fall hat vor etwas mehr als einem Monat für ziemlich viel Aufsehen gesorgt.
Unser Kollege vom freien Radio Dreyeckland aus Freiburg sprach jetzt mit Uli Sckerl. Der Landtagsabgeordnete sitzt für die Grünen im sogenannten Innenausschuss des baden-württembergischen Landtags und hat versucht ein bißchen mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Dabei sind für ihn aber noch immer viele Fragen offen.
Interview mit Mareike von der roten Hilfe Heidelberg zum enttarnten LKA Ermittler mit dem Deckname Simon Brenner. Wurden Geheimdienst- und Polizeitätigkeiten vermischt, gab es eine rechtliche Grundlage für die Überwachungsmaßnahme und wie gehts für Betroffene und Heidelberger Szene weiter?
Telephon-Interview (auch mit Mareike von der Roten Hilfe Ortsgruppe in Heidelberg) zu den Umständen der Enttarnung des LKA-Spitzels in der linke Szene in Heidelberg.
Studio-Gespräch mit „Zeitzeuge“ Tobias Kaphegyi über Spitzel-Fälle in Tübingen und die Enttarnung eines V-Manns bei der Tübinger „LiStA“ (Linke Studierenden-Assoziation).
Studiengebühren-Boykott in Hamburg
Seit der Einführung der Studiengebühren boykottiert ein Großteil der Studierenden an der Hochschule der Künste in Hamburg die Zahlung der Campus-Maut. Derzeit ist über ein Viertel der Studierenden am Boykott beteiligt. Aufgrund Ihrer Zahlungsverweigerung sind sie von Pfändungen bedroht. Die Situation an der Hochschule ist für die meisten Studierenden prekär, aber obwohl viele bereits von Vollstreckungsbeamten Besuch bekommen haben, lassen sie sich nicht einschüchtern. Dabei nimmt die Hochschule mit der Zwangseintreibung der Studiengebühren leichtfertig drastische Folgen für ihre Studierenden in Kauf. Und das obwohl sich neben den Studierenden der Hochschule auch das Präsidium und der Hochschulsenat weiterhin gegen Studiengebühren aussprechen.
Der AStA, als studentischer Ausschuss fordert ausdrücklich alle Parteien dazu auf, Anträge zur Abschaffung der Studiengebühren zu stellen, wie das die Linkspartei bereits getan hat. Alternativ könnten sie den bestehenden Antrag der Linkspartei einfach unterstützen. Durch die jüngsten politischen Verschiebungen im Stadtstaat Hamburg gibt es dort jetzt auch eine real durchsetzbare Mehrheit gegen Studiengebühren. Denn nachdem die Grünen ihr Bündnis mit der CDU gekündigt haben, sind die Grünen ihrem vormaligen konservativen Bündnispartner zu nichts mehr verpflichtet. Die noch vor der letzten Wahl gegebenen Parteiversprechen zur Abschaffung der Studiengebühren sollten spätestens jetzt eingelöst werden. Zusammen mit der Linken und der SPD hätten die Grünen jetzt jedenfalls eine außerparlamentarische Mehrheit für die Abschaffung der Studiengebühren.
Unser Kollege Udo Israel vom freien Radio Corax sprach mit Kevin Kahn vom AStA der Hamburger Hochschule der Künste.
Die Viergeteilte Schule
Will man genau sein, haben wir kein dreigliedriges, sondern ein viergliedriges Schulsytem, bzw. wenn man ganz genau ist, gibt es sogar neun unterschiedliche Schularten in Deutschland. Denn die Behinderten stehen immer noch abseits, sind immer noch nicht in das „normale“ Schulsystem integriert. Seperate but equal könnte man die dahinterstehende Ideologie umschreiben, vielleicht versteht man so auch besser, warum internationale Verträge solche Praktiken inzwischen ächten.
Seit 3 Jahren nämlich haben so genannte behinderte SchülerInnen und Schüler laut der von Deutschland ratifizierten und somit verbindlichen UN-Behindertenrechtskonvention einen Rechtsanspruch auf integratives Lernen, das heißt: Auf einen Platz an einer, Anführungszeichen beachten, „normalen“ Schule.
Darüber wachen, dass u.a. diese Bestimmung der Behindertenrechtskonvention umgesetzt wird, soll seit Mai 2009 die beim Deutschen Institut Für Menschenrechte in Berlin angesiedelte Monitoring-Stelle, deren Leiter Valentin Aichele ist. Andrasch Neunert von Radio LORA aus München befragte ihn am 10. September zu diesem Thema. Wie weit diese Umsetzung denn gediehen sei, war seine erste Frage.
Es ist des Öfteren die Rede vom ‚dreigliedrigen Schulsystem‘, was jedoch falsch ist. Vergessen werden dabei die sogenannten Sonder- und Förderschulen. Wenn nicht vergessen, werden sie ausgeklammert, als Sonderfall erachtet, der nicht der Norm entspricht. In diesem Denken drückt sich die Vorstellung einer bestimmten ‚Normalität‘ aus, die nicht alle Menschen umfasst. Sie bildet das gedankliche Gegenstück zur realen Trennung.
Normalität wird anhand vieler verschiedener Dimensionen gedacht und in der Praxis organisiert, so gilt beispielsweise Heterosexualität als normal und ein behinderter Körper als nicht-normal. In diesem Studiogespräch mit Peter Hudelmaier-Mätzke und Jakob Herrmann wollen wir einerseits – ausgehend von der Dimension der Behinderung – klären was Menschen erleben, die nicht Teil der gesellschaftlich wirksamen Norm sind und andererseits das Konzept der sozialen Inklusion vorstellen. Peter ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Pädagogischen Hochschule Reutlingen und Jakob ist aktiv in der Landesarbeitsgemeinschaft Selbstbestimmte Behindertenpolitik der Partei die Linke. Beide beschäftigen sich in ihrer Arbeit mit dem Thema Inklusion, wobei Jakob als Blinder zum Umgang mit Behinderung auch aus eigener Erfahrung berichten kann.
Das Konzept der Inklusion stammt aus der pädagogischen Forschung und wendet sich dagegen, dass Leute aufgrund bestimmter Dimensionen von Verschiedenheit aus der Gesellschaft als ‚Unnormale‘ ausgeschlossen werden um sie dann – im Sinne des Konzeptes der Integration – an die ‚Normalität‘ anzupassen. Der Inklusion geht es darum den Umgang mit der Verschiedenheit jedes einzelnen Individuums und das Eingehen auf seine Bedürfnisse als Normalität zu etablieren, in der niemand mehr ausgeschlossen ist, in der die Verschiedenheit als Normalität anerkannt wird.
Ergänzung vom 10.05.2012:
Nach der Sendung habe ich mit einem Freund darüber diskutiert und ihm den Inhalt zusammengefasst. Ich fand seinen Einwand berechtigt, dass in der Vorstellung, Inklusion solle doch herrschen, ein wichtiger Punkt ignoriert wird: Warum wurden und werden Behinderte eigentlich ausgegrenzt? Nur wenn man das weiß, kann man ja beurteilen, ob man weiß, was das angemessene Mittel wäre, diesen Zustand abzuschaffen. Nun lässt sich feststellen, dass es zumindest teilweise schon die Tendenz gibt, Konzepte der Inklusion durchzusetzen. Die zweite Frage ist daher, was der Grund dafür ist, dass jetzt diese Tendenzen zu beobachten sind, was sich also geändert hat, dass heutzutage die Absicht, Behinderten eine gleichere Teilnahme an der Gesellschaft zu ermöglichen, zumindest teilweise an Einfluss gewinnt.
Auf diese Fragen gibt ein Interview in der aktuellen Ausgabe der Strassen aus Zucker Auskunft. Ich zitiere hier den relevanten Teil:
Wie sieht die Ausgrenzung von behinderten Menschen heute aus? Ich kenne mich da nicht aus, weiß nur, dass es Heime und Sonderschulen gibt. Warst Du darin?
Nein. Aber dafür mussten meine Eltern auch sehr kämpfen.
Sie wollten, dass ich mit meinen Freund_innen aus der Straße
zusammen zur Schule gehen kann. Dafür musste ich mich aber
zahlreichen Tests unterziehen. Es brauchte viele ärztliche Gutachten.
Und trotzdem war die Einschulung nur auf Probe. Ich
hätte jederzeit aus der Schule genommen und in die Sonderschule
gesteckt werden können. Dass heute viele von „Inklusion“
reden und es keinen Zwang zur Sonderschule mehr gibt, ist
erfreulich. Allerdings kommen viele Schüler_innen mit Behinderung
trotzdem dahin, weil die normalen Schulen sagen, dass
ihnen das zu teuer ist oder dass ihre Lehrer_innen dafür nicht
ausgebildet sind. Abgesehen davon zeigt sich in dieser neuen
Politik auch eine Modernisierung des Kapitalismus.
Was meinst Du damit? Naja, was als behindert gilt, hat viel damit zu tun, wie die Menschen
vernutzt werden sollen. Menschen, die wenig besitzen,
haben ja eigentlich nur ihren Körper, mit dem sie arbeiten
gehen und so Geld zum Leben verdienen können. Aber was,
wenn diese Arbeitskraft nicht „normal“ funktioniert? Dann gibt
es halt die Frage, wie man mit den als „unproduktiv“ etikettierten
Menschen umgeht. Da war Verwahrung halt das Übliche.
Heute jedoch, wo körperliche Arbeit, jedenfalls in Deutschland,
unwichtiger geworden ist, liegt ja all die „behinderte“ Arbeitskraft
brach. Die kann auch noch nützlich sein. Deswegen kriege
ich zum Beispiel einen Teil meines Autos bezahlt – aber nur,
wenn ich einen Arbeitsvertrag vorweisen kann. Bin ich hingegen
arbeitslos, muss ich nach Meinung des Staates auch nicht
aus der Wohnung raus. Für Fahrten zum Arbeitsamt oder für
Bewerbungsgespräche darf ich dann Taxiquittungen einreichen,
aber ansonsten soll ich halt zu Hause bleiben. Café oder Freund_
innen treffen zählt nicht. Mein erstes Auto bekam ich für die Uni und streng genommen hätte ich es auch nur für Fahrten
zur Uni verwenden dürfen. Als ich den Abschluss machte, wollte
die Behörde das Auto zurück haben. Daran sieht man: Dass
Behinderte auch vernutzbar sind, ist heute allgemein durchgesetzt.
Und Behinderungen werden genau in dem Maße abgebaut,
wo sie der Vernutzung entgegenstehen. Aber ins Kino soll
ein arbeitsloser Mensch mit Behinderung nach dieser Ansicht
nicht unbedingt gehen.
Aber die Vorstellung: „Die sind behindert“ ist ja nicht nur eine
des Staates. Sondern die meisten Menschen rennen mit Körpernormen
– was „schön“, was „normal“ sei – durch die Welt.
Wie könnte man die auflösen?
Ich glaube, solange Behinderung zuallererst nur mit Schmerz,
Leid und Benachteiligung verbunden wird, wird sich das nicht
ändern. Aber wenn Menschen mit Behinderung als selbstbewusste,
als fröhliche oder auch mal genauso depressive Menschen
wahrgenommen werden und das ein Teil der Normalität
ist, könnte es sich langsam auflösen. Aber dafür müssten eben
erst mal all die gesellschaftlichen Behinderungen weg, all die
Knüppel, die man hier zwischen die Beine oder in die Rolliräder
geworfen bekommt.
Das ganze Interview kann man hier auf den Seiten 17-18 lesen.
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Das Gespräch wurde ausgestrahlt in der Sendung vom 25.10.2010 und der Wiederholung vom 01.11.2010.
Weitere Texte zum Thema Inklusion finden sich hier.